Überlebensgroße Buddhas in den Mogoa-Grotten

in der Badischen Zeitung vom 23.07.2008
14 000 KILOMETER: Überlebensgroße Buddhas in den Mogoa-Grotten

Chinesischer Massentourismus zwischen verkitschten Naturszenerien im Disneylandstil und malerischen Ruinenstädten
Rund 14 000 Kilometer lang ist die Strecke Freiburg — Peking: Auf weiten Teilen der Seidenstraße fährt der Freiburger Busunternehmer Hans-Peter Christoph mit einer 24-köpfigen Reisegruppe derzeit nach Peking. Inzwischen hat die Gruppe China erreicht und ist auf dem Weg durch die Wüste Gobi nach Jiayuguan. Mit dabei: der ehemalige Studioleiter des SWR in Freiburg, Roland Schrag.


In unserem "Roten Bus" rolle ich, während ich dies schreibe, auf einer gut ausgebauten Straße durch die Wüste Gobi, auf der Fahrt vom Touristenstädtchen Dunhuang nach dem schwierig auszusprechenden Jiayuguan. Sieben Wochen liegen hinter, noch drei Wochen vor uns. Das Ende der Tour ist absehbar. Wir sprechen untereinander schon mal über die Heimkehr, obwohl der bevorstehende Abschnitt immer noch die Dauer eines normalen Urlaubs umfasst. Doch auf dieser Reise, die für jeden von uns die längste im Leben darstellt, haben wir eigene Maßstäbe entwickelt.

Insgesamt durchqueren wir einen Monat lang China über 5000 Kilometer weit von der nordwestlichen Grenze bis Peking. Oft passierten wir eine grau-braunen Sandebene, so auch im Augenblick, die begrenzt wird von grau-schwärzlichen Hügelketten. Über weite Strecken säumten den Horizont hohe Gebirge mit bis zu 5000 Meter hohen schneebedeckten Bergriesen. Immer wieder unternahmen wir Ausflüge in Bergregionen. Meist saß dann Alain Lamy am Steuer, unser Steuermann (während "Hanus Kaptan" Christoph daheim im Hotel am Internet über seinem Büro-Tagewerk brütete). Auf der Fahrt zum "Himmelsee" ging es wieder einmal über eine holprige Ausweichpiste, während die eigentliche Straße von Wanderarbeitern im Billigstlohn mit Pickel und Schaufel aufgerissen und neu planiert wurde. Auch für Alain bedeuten solche Baustellen Schwerstarbeit, einmal blieben wir in einem plötzlich sich öffnenden Loch beinahe stecken.

In Europa wäre diese Strecke mindestens für Busse gesperrt worden, nicht so in der Ferienregion Xinjiang, wo der Tourismusbetrieb zum Beispiel am Himmelssee nicht unterbrochen werden soll. Heerscharen chinesischer Ausflügler, darunter auch wir wenigen Europäer, wurden mit einer Gondelbahn in 2000 Meter Höhe hinauf gekarrt, um dort Bootchen zu fahren, sich knallbunt verkleidet vor malerischer Kulisse ablichten zu lassen und Souvenirs-Souvenirs zu erstehen. Der chinesische Massentourismus allerorten in dieser Provinz gehört für mich zu den überraschenden Eindrücken.

Oft locken im Disneylandstil verkitschte Naturszenerien oder historische Pagoden die Ausflügler an, anderswo aber auch ganz seriös zum Beispiel die malerische Ruinenstadt bei der Oase Turfan, morgen in Jiayuguan das westliche Ende der chinesischen Mauer oder gestern die einzigartigen Mogoa-Grotten bei Dunhuang: Hunderte von Kulthöhlen mit überlebensgroßen Buddhas aus bemaltem Stuck, die ältesten 1800 Jahre alt. Auch dies für die meisten von uns eine ganz überraschende Kunstbegegnung.

Kunstgenuss habe ich gestern Abend auch auf meinem Teller im Restaurant des Luxushotels erlebt, in dem wir abgestiegen waren: "Lamm auf zweierlei Art" . Das Gericht zierten kunstvoll aus rosafarbenem Rettich geschnitzte Rosen, während die zweierlei Lammbraten-Scheibchen (in scharf und sanft gewürzter Soße) von der Skulptur eines Rückenknochens voneinander geschieden wurden, eingebettet in schachbrettartig gewürfelte Gurkenstückchen: Beinahe zu schade zum Verzehr. Doch nach ausgiebiger Betrachtung gab ich mich denn doch dem Gaumengenuss hin — ein doppelt lustvolles Erlebnis. China hat uns gefangen genommen mit Körper und Geist.

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