Avanti-Rundbrief Januar 2010

Liebe Leute,

unser Programmheft ist kaum verschickt, da erreicht uns schon die Frage, warum wir ausgerechnet jetzt eine Isfahan-Reise anbieten. Ob es nicht sinnvoller wäre, den Iran zu boykottieren, so lange die derzeitige Regierung an der Macht ist. Die Frage, die sich mir stellt, ist eine andere: Wem nützt es, wenn wir in den Iran reisen? Was bewirken wir durch unsere bloße Anwesenheit bei den Menschen dort?

Als ich 2004 zum ersten Mal aus dem Iran zurück kam, noch lange vor der Wahl Ahmadinejads, war ich begeistert von der Offenheit, Neugierde und Wärme, mit der mich die Menschen dort empfingen! Und das empfanden alle, die dann ein Jahr später mit mir im roten Bus dorthin reisten.
Diese Offenheit und Herzenswärme im Umgang mit uns Besuchern, die Freude, dass sie überhaupt jemand besuchen kommt, war genauso bei unserem Aufenthalt während der Pekingreise 2008 spürbar. Sie prägte auch die Isfahan-Reise, die wir im Mai 2009 durchführten.

Die Menschen dort sind froh, dass wir sie besuchen kommen und sie nicht vergessen haben. Sie wissen auch, wie isoliert sie aufgrund ihrer Regierung sind, und das nicht erst seit fünf, sondern schon seit über dreißig Jahren! Der Gedanke aber, dass jemand das Land aufgrund des herrschenden Systems boykottieren könnte, erscheint völlig abwegig, wenn man dort ist und mit den Menschen in Kontakt kommt. Der Iran ist nicht nur das, was die derzeitige Regierung an Statements von sich gibt oder an Repression ausübt, sonst gäbe es die vielen Menschen nicht, die sich nicht damit einverstanden zeigen. Dazu kommt, dass wir einer Kultur begegnen, die zu den ältesten Zivilisationen der Menschheitsgeschichte gehört. Wenn man die Freude in den Augen derjenigen wahrnimmt, die uns begegnen, mit uns sprechen oder uns lediglich sehen, die Freude darüber, dass sich jemand für sie interessiert, dann spürt man, dass man in den Iran reisen MUSS! Gerade jetzt!

Alleine durch unsere bloße Anwesenheit zeigen wir den Menschen dort, dass sie nicht alleine sind. Wir demonstrieren, dass wir uns für ihr Schicksal interessieren und Anteil nehmen an dem, was dort in Bewegung ist. Die meisten Iraner sind hungrig nach Kontakten zu uns! Unsere bloße Anwesenheit wird als Unterstützung wahrgenommen. Schauen wir hin und nicht weg! Das alles schließt einen Boykott des Landes aus. Im Gegenteil, wir sind dazu aufgerufen, in den Iran zu reisen!

Wenn, dann müssten wir die Firmen boykottieren, die die Systeme liefern, mit denen die Überwachung dort perfektioniert wird und die Waffen, die gegen die Bevölkerung eingesetzt werden!

Oder nicht mehr nach Italien reisen, wo die Bevölkerung einen alten rechten Lustmolch, der beste Beziehungen zur Mafia pflegt, die Medien kontrolliert, das Recht beugt und Gesetze zu seinem Vorteil ändert und erlässt, in freien Wahlen ohne Not drei Mal zum Regierungschef macht.
Wo ist da der Boykott?

Wer reist, sieht mehr, weiß mehr, begreift und "erfährt" mehr. Aus eigener Anschauung und nicht aus der Hand Dritter. Deshalb ist es so wichtig, eigene Erfahrungen zu machen!

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein gutes neues Jahr!

Hans-Peter Christoph

PS: Unser allmonatliches Treffen am ersten Freitag eines Monats findet am Freitag, 8. Januar ab 20 Uhr im Café Einstein in Freiburg in der Klarastraße statt. Herzlich willkommen!

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